Scenes from a Marriage: Kritik zur HBO-Miniserie mit Jessica Chastain (2025)

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Von: Bjarne Bock

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Scenes from a Marriage: Kritik zur HBO-Miniserie mit Jessica Chastain (1)

Hagai Levi, bekannt für Serien wie The Affair und In Treatment, wagt sich an die Neuauflage des schwedischen Klassikers Szenen einer Ehe. Wird sein HBO-Fünfteiler Scenes from a Marriage dem legendären Original gerecht?

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Mit seinen „Szenen einer Ehe“ (im Original: „Scener ur ett äktenskap“) löste Ingmar Bergman 1973 ein gesellschaftliches Erdbeben aus, das die tradierten Vorstellungen von Monogamie und Partnerschaft hinein bis in die konservativsten Haushalte der westlichen Welt erschüttert haben dürfte. Die schwedische Miniserie, die in ihrer Filmfassung auch einen Golden Globe gewann, traf einen universalen Nerv, indem sie etwas ansprach, was kollektiv verschwiegen wurde.

Eheprobleme, wie sie von Liv Ullmann und Erland Josephson in dem starken Dialogstück vorgeführt wurden, fand und findet man wahrscheinlich hinter jeder zweiten Haustür. Doch dort blieben sie dann auch, versteckt vor den Nachbarn, Freunden und sogar Verwandten. Schein war nach dem christlichen Familienbild, das etabliert war, wichtiger als Sein. Es ging nicht darum, zusammen glücklich zu sein, sondern zusammenzugehören und zusammenzubleiben. Vor allem Frauen kamen bei diesem Deal oft schlecht weg...

Neue Szenen einer Ehe

Fast 50 Jahre später will nun der israelische Serienmacher Hagai Levi nachziehen. Wie sein Vorbild Bergman - der übrigens auch Künstler wie Richard Linklater („Before Midnight“), Noah Baumbach („Marriage Story“) oder Woody Allen („Der Stadtneurotiker“) inspirierte - hat er selbst schon einen Globe auf dem Kaminsims stehen. Levi gewann die Trophäe 2015 überraschend für sein Showtime-Drama The Affair, das sich ebenfalls um Eheprobleme dreht.

Zudem bringt er eine tiefe Faszination für die Psychologie, also das Innenleben von Menschen mit. Das bewies Levi eindrucksvoll mit seiner Therapiestunde In Treatment (oder auch „BeTipul“ als Vorgängerformat). Er scheint also der perfekte Mann für die Neuauflage zu sein. Produziert wurde der Fünfteiler Scenes from a Marriage beim Kabelsender HBO. Hierzulande lassen sich die Folgen parallel zur US-Premiere bei Sky streamen. Ab dem 19. November präsentiert Sky Atlantic die deutsche Synchro.

Obwohl Levi die Geschichte in die Gegenwart holt, orientiert er sich inhaltlich nah am Original. Vielleicht will er damit die Zeitlosigkeit der Konflikte postulieren. Indem er am Beginn jeder Episode bewusst Bilder von den Dreharbeiten zeigt, die durch die sichtbaren Corona-Maßnahmen das Werk noch mehr im Jetzt verankern, bereitet er symbolisch die Bühne für seine beiden Hauptdarsteller. Er lässt sie prahlen: Selbst in diesem künstlichen Umfeld können sie auf Knopfdruck so lebensecht vielschichtige Gefühle zum Leben erwecken.

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Scenes from a Marriage: Kritik zur HBO-Miniserie mit Jessica Chastain (2)

Den männlichen Part spielt ein solider Oscar Isaac (Show Me a Hero, „Inside Llewyn Davis“, „Star Wars“), während Jessica Chastain („Molly's Game“, „Zero Dark Thirty“) die kurzfristig abgesprungene Michelle Williams vertritt. Schwierige Startbedingungen für die Ersatzfrau, weil man sich unweigerlich fragt, wie wohl Williams an die Rolle rangegangen wäre. Doch es dauert nicht lang, bis Chastain diese Zweifel mit roher Schauspielgewalt vernichtet...

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Statt eines Interviews für eine Zeitschrift, stellt sich das neue Ehepaar Jonathan (Isaac) und Mira (Chastain) einer wissenschaftlichen Befragung zu alltäglichen Beziehungsfragen. Wie damals dominiert auch diesmal der Mann das Gespräch und lässt seine Frau kaum zu Wort kommen, wobei sie ohnehin abwesend wirkt. Subtilerweise spielt Isaac seinen Charakter keineswegs als Unsympathen; eher als normalen Durchschnittstypen, der offen zu seinen Schwächen steht. Gleichzeitig übertönt Chastains perfekt ausgereizte Mimik seine vielen Worte, weil auch die Kamera nur an ihr klebt.

Spätestens ab der zweiten Folge der HBO-Produktion Scenes from a Marriage merkt man einen kleinen Unterschied zu Bergmans Urversion. Viele der Konflikte, die damals der Mann ins Spiel brachte, bedient diesmal Chastains weibliche Protagonistin. Isaac übernimmt derweil Facetten der Figur von Ullmann. Eine geschlechtliche Umkehrung, mit der eigentlich zu rechnen war, weil sie ein überfälliges Statement setzt, das vielleicht das einzige Klischee in der damaligen Dynamik darstellte: Nicht nur Männer können das Interesse an ihrer alten Partnerin verlieren.

Trotzdem wird man wohl beobachten, dass Mira als Frau mehr Hass von den Zuschauern erfährt als ihr männlicher Wegbereiter aus den Siebzigern. Denn Frauen - und besonders Müttern - nimmt man es weitaus übler, wenn sie vermeintlich ihre Familie zerstören. Beim eingangs erwähnten Scheidungsdrama „Marriage Story“ sah man beispielsweise, dass das Gros des Publikums der Figur von Scarlett Johansson die Schuld zuschob. Was nicht nur enttäuschend war, sondern auch ironisch, weil der Film genau die Aussage macht, dass in solchen Situationen beide schuldig und unschuldig zugleich sind.

Ursprünglich hatte ich ehrlich gesagt große Zweifel daran, ob eine Neuauflage des „Szenen einer Ehe“-Stoffes wirklich nötig ist. Gerade, weil das Original so ewig aktuell scheint, dass kaum noch was hinzuzufügen bleibt. Und noch mehr, weil die Gesellschaft inzwischen viel weiter sein sollte, zumindest wenn es darum geht, Eheprobleme als verbreitetes Phänomen anzuerkennen. Damals waren viele Leute völlig überwältigt, weil sie erstmals sahen, dass es anderen genauso geht wie ihnen, hinter den verschlossenen Türen. Heute feiern Menschen stolz ihre Scheidungspartys und denken gar nicht daran, in stiller Scham die eigenen Gefühle zu verleugnen.

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Trotzdem herrscht selbst in unseren weitestgehend emanzipierten Zeiten noch viel Sexismus, was am beschriebenen Missstand der Doppelstandards bei der Schuldfrage deutlich wird - ob eben die Frau oder der Mann die Trennung will. Vielleicht liegt genau hier der Schlüssel zur Relevanz des Revivals, den Hagai Levi zur Legitimation seines Werks unbedingt finden musste. Vielleicht trägt die neue Miniserie dazu bei, dass auch im Fall der Frauen endlich akzeptiert wird, wenn sie ihre „Damenfantasien“ ausleben wollen. Dass es fair ist, sich neu zu verlieben und dass sie keine schlechten Mütter sind, wenn sie eine saubere Scheidung anstreben.

Jessica Chastain scheint genau die Richtige zu sein, um diesen Zwiespalt ihres Charakters so detailliert darzustellen, dass selbst ich ihn ein Stück weit mitfühlen kann. Für ein gesellschaftliches Erdbeben wird es diesmal wohl nicht reichen, aber für Aficionados spannungsvoller Kammerspiele führt kaum ein Weg vorbei an Scenes from a Marriage. Und auch In Treatment-Fans sollten die neue Serie von Hagai Levi unbedingt auf dem Zettel haben. Denn selbst ohne therapeutische Begleitung ist sie mindestens genauso psychologisch anspruchsvoll...

Literarische Anleihen

Für diejenigen, die den Fünfteiler sowieso sehen wollen (oder schon gesehen haben), abschließend noch zwei weiterführende Empfehlungen: Speziell die Dinnerszene in der ersten Episode mit den Gaststars Corey Stoll (House of Cards, The Strain) und Nicole Beharie (Sleepy Hollow, Solos) hat mich sehr erinnert an ein Theaterstück, das ich vor zwei Jahren im Wiener Burgtheater sehen konnte - „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von Edward Albee. Auch hier verbringen wir einen trunkvollen Abend mit zwei Pärchen, von denen sich keiner der Vier mit Ruhm bekleckert. Stattdessen kotzen sie sich aus und zerlegen genüsslich die eigene Beziehung.

Ich durfte durch mein Studium mal ein Praktikum in der Paartherapie machen, wo einige Sitzungen ganz ähnlich verliefen (nur ohne Alkohol). Es ist erschreckend zu sehen, wie Menschen, die sich mal geliebt haben und irgendwo noch immer lieben, Lust daran entwickeln, sich gegenseitig vor den Augen anderer zu demütigen. Wie sie ihr ganzes Wissen über ihren Partner ausnutzen, um die fiesesten Stiche zu setzen. Daran musste ich denken, als ich das Albee-Stück und nun auch, als ich Scenes from a Marriage sah. Kann man überhaupt sein ganzes Leben mit einer Person verbringen, ohne sie ein bisschen hassen zu lernen?

Die andere Empfehlung ist Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ von 1925, denn hier wird nochmal verdeutlicht, wie sich Männer schon immer gegenseitig dazu ermutigt haben, abseits der Ehe sich etwas auszutoben. Gemischt mit der Doppelbödigkeit, sofort an die Decke zu gehen, wenn die Frau auch nur davon träumt, mit einem anderen Mann zu schlafen. Wir haben als Gesellschaft einen langen Weg hinter uns - und sind trotzdem längst noch nicht am Ziel angekommen...

Hier abschließend der Trailer zur HBO-Serie Scenes from a Marriage:

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Author: The Hon. Margery Christiansen

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